HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

32 AUSGABE #48 6/2022 Die letzte Möglichkeit, miteinander zu trainieren, verstrich ungenutzt. Während Mitte Oktober überall die Kaderspieler in ihre Heimatländer zurückkehrten, um sich in der letzten Nationalmannschaftswoche des Jahres auf die WM vorzubereiten, blieben die algerischen HandballLegionäre sämtlich in ihren Vereinen. „Der Verband war zu spät mit seinen Einladungen, deshalb kamen unsere besten Spieler nicht“, berichtet Bob Zermani, er klingt entsetzt. Zermani, 57, gehört zu den seltenen Menschen, die einen Einblick in die sonst verschlossene Welt des algerischen Handballs haben – und darüber auch frei reden können. In Algerien herrscht Zensur, im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen rangiert das Land auf Platz 134. „Es gibt keine kritischen Artikel in der Presse“, konstatiert Zermani. Er weiß, wovon er redet. Er ist geboren und aufgewachsen in Algerien, und dort gewann er 1989 mit seinem Team die Afrikameisterschaft, bevor er 1997 nach Deutschland auswanderte und eine Trainerkarriere einschlug. Zehn Jahre arbeitete er in Spenge, in der 3. Liga, danach in Kuwait und im Katar, heute trainiert der Sportwissenschaftler den Viertligisten TGMipa Landshut. Der Trainer ist immer noch regelmäßig in Algier, im Jahr 2020 musste er, als die Pandemie ausbrach, viele Monate im Land bleiben. Er kennt also die Verhältnisse im dortigen Handball, und nicht nur das: Vor einigen Monaten hat man ihn sogar gefragt, ob er nicht Präsident des Verbandes werden wolle. „Ich habe das abgelehnt“, sagt er. „Das Problem ist: Wenn man von außen kommt, wird man sabotiert. Ich hätte keine Chance, dort etwas zu verändern.“ Vakant war das Amt des Präsidenten, weil der Amtsinhaber in Haft gekommen war. Er soll angeblich rund eine Million Euro veruntreut haben. Dass er überhaupt wieder in Amt und Würden war, wäre inDeutschland eine Sensation gewesen, denn er hatte bereits 2013 eine Haftstrafe wegen der gleichen Vergehen angetreten. „Das ist das größte Problem im algerischen Handball, dass die meisten Funktionäre vor allem in die eigene Tasche wirtschaften“, klagt Zermani. Die Verhältnisse, die in seiner Sportart herrschen, klingen abenteuerlich. „Die Saison in Algerien hat bis Anfang Dezember noch nicht begonnen“, erzählt Zermani. Der Grund für die lange Pause sei, dass die Clubverantwortlichen die Gehälter der Spieler und Trainer sparten und auf diese Weise noch mehr staatliche Subventionen abgreifen könnten. Aus denselben Motiven sei die algerische Liga inzwischen auf 30 Clubs aufgebläht worden. „Das liegt daran, dass die Zuschüsse des Staates sich an der Ligazugehörigkeit bemessen“, erklärt Zermani. Es gibt also viel Geld für den Handball. Aufgrund der Korruption würde dies aber leider nicht in die Ausbildung und Förderung der Sportler fließen. Dabei ist der Pool der Talente groß. Die Sportart ist in Algerien die Nummer Eins hinter dem Fußball, Zermani sagt, es gebe rund 200.000 Aktive in seiner Heimat. „Wir haben so viele gute junge Spieler, nur leider leiden sie alle unter den Verhältnissen“, sagt Zermani. Wer es trotzdem schafft, flüchtet sofort ins Ausland. Auch deutsche Clubs interessierten sich zuletzt für die Topspieler. TuSEM Essen habe sich erkundigt nach dem Halblinken Zohir Naim, der bei Sharjar unter Vertrag steht. Göppingen hatte wohl Interesse an dem Halbrechten Abdi Ayoub (Fenix Toulouse). Und auch der starke Torhüter Khalifa Ghedbane, der mit Vardar Skopje die Champions League gewann, habe Offerten aus der Bundesliga erhalten. „Aber der wollte unbedingt Champions League spielen und ist deswegen nach Bukarest gegangen“, berichtet Zermani. Spielmacher Moustafa Sadok hat in Winterthur (Schweiz) ebenfalls einen guten Job. „Sie haben jedenfalls Spielpraxis“, sagt Zermani. Anders als die Kollegen in der Heimat. Erik Eggers  Arbeitslos in Algier Über den Handball in Algerien dringt kaum etwas nach außen. Was der Trainer Bob Zermani über die Verhältnisse dort schildert, klingt abenteuerlich und chaotisch.

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