HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

AUSGABE #48 6/2022 49 Die Vorfreude ist zu spüren bei Pouya Norouzi. „Eine Weltmeisterschaft zu spielen ist für uns alle ein Wahnsinnserlebnis“, sagt der iranische Regisseur von Eintracht Hagen. Erst das zweite Mal nach Katar 2015 hat sich sein Team für ein Weltchampionat qualifiziert. Er war damals 20 Jahre alt und begeistert. „Das war großartig, gegen die besten Spieler der Welt zu spielen und sie live zu sehen“, erinnert er sich. Die Vorfreude wird leider getrübt durch die Lage in der Heimat. „Mein Herz ist bei meiner Familie“, sagt Norouzi, und dass er nicht über die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse im Iran sprechen könne. „Es ist eine sehr schwere Situation für uns alle und ich will meine Familie schützen.“ Nur so viel: Er erhoffe sich Normalität in dem Land, in dem er aufgewachsen ist. Es sei für sie alle schwer, sich in diesen Zeiten auf den Handball zu konzentrieren, das gibt Norouzi zu. „Aber das ist nun einmal unser Job.“ Und er hoffe, dass sein Team die Fans in der Heimat mit guten Leistungen gegen Chile, Montenegro und Kroatien etwas glücklicher mache. Für ihn selbst war die WM vor acht Jahren, auch wenn er das damals nicht ahnte, das Tor zur Welt. Denn als der Bergische HC zwei Jahre später kurzfristig einen Spielmacher suchte, erinnerte sich Viktor Szilagyi, der in Doha für Österreich gegen den Iran gespielt hatte, an diesen spielfreudigen Pouya Norouzi und verpflichtete ihn als Sportlichen Leiter des Bergischen HC. Es erschien ihm damals als ein großer Sprung von Ferdows, einer Stadt nahe Afghanistan, in die raue Welt der Bundesliga. „Aber ich wollte unbedingt diesen Traum leben.“ Tatsächlich fand Norouzi seinen Platz im Profihandball. Nach einem Jahr mit den Kadetten Schaffhausen in der Champions League – „das war für mich eine große Erfahrung“ – wechselte er 2018 zum VfL Gummersbach, wo es nach dem Abstieg allerdings Probleme mit der Aufenthaltsberechtigung gab. Daher wich er aus nach Schweden, wo er für Sävehof auflief, kehrte aber schon im Februar 2020 in die Bundesliga zurück. Nach Stationen in Göppingen und in Coburg fühle er sich nun sehr wohl beim Zweitligisten Eintracht Hagen, erzählt er im Gespräch mit HANDBALL inside. Es sind allerdings beschwerliche Reisen aus Hagen nach Teheran, wo die meisten Lehrgänge der Nationalmannschaft stattfinden. Manchmal geht es um die halbe Welt, wenn er in Südkorea um die Asienmeisterschaft kämpft. Dennoch nehme er diese Reisen gerne auf sich, betont er, er freue sich auf seine Freunde in der Mannschaft. Der vielleicht beste iranische Handballer aller Zeiten, Iman Jamali, ist nicht dabei. Er hat sich bekanntlich auch schon in jungen Jahren in Ungarn einbürgern lassen. „Wir haben keinen Star in der Mannschaft“, sagt Norouzi. Der größte Star ist also der Trainer: Veselin Vujovic, der Weltmeister von 1986, eine Legende. Als Coach ist der Serbe freilich schon einige Male in die Schlagzeilen geraten, weil er seinen Blutdruck manchmal nicht kanalisieren kann. Norouzi kann indes nur Gutes über den Trainer berichten, den er allerdings auch erst eine Woche lang erlebt hat. „Er ist sehr nett und gar nicht arrogant, obwohl er ein Star ist“, sagt der Spielmacher. „Und der Trainer macht sehr gute Trainingseinheiten.“ Ihre Ziele für die Vorrunde sind hochgesteckt. „Gegen Spanien haben wir keine Chance“, sagt Norouzi. „Aber gegen Chile, das wir 2015 bei der WM geschlagen haben, und Montenegro rechnen wir uns etwas aus.“ Im Falle einer Qualifikation wäre die Belohnung eine Partie gegen Rekordweltmeister Frankreich, die ganz große Bühne des Welthandballs. Und womöglich auch für die Kollegen Norouzis ein Tor nach Europa. Erik Eggers  Tor nach Europa Für die Karriere von Pouya Norouzi, 28, war die WM 2015 ein Schlüsselerlebnis. Nun hofft der iranische Zweitligaprofi auf die Hauptrunde. Vor allem aber auf Normalität in seiner Heimat.

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