HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

76 AUSGABE #48 6/2022 weiter: „Natürlich muss ich dazu in der Lage sein, auch loslassen zu können.” Kann er das? Muss er ja wohl, wie anders könnte er sonst zwei, manchmal drei Pferde mit einem Hintern reiten. „Ich bin am Ende des Tages zwar für die formulierten Ziele und Visionen verantwortlich und muss im Großen denken, aber das alles geht nur, wenn ich jeden das machen lasse, wofür er verantwortlich ist, ohne dabei das Ganze aus den Augen zu verlieren.” Die Kunst ist offenbar, die Leute da einzusetzen, wo sie für das Unternehmen am stärksten sind. „Auch einen Stefan Kretzschmar habe ich ja nicht geholt, um ihm zu sagen, was zu machen ist”, sagt er. „ImGegenteil: Er soll mir sagen, was ich zu machen habe.” Ob er ihm auch diese Idee, in Potsdam, vor den Toren Berlins, das Traineramt zu übernehmen, ins Ohr souffliert hat? Schließlich darf man schon die Frage stellen, warum ein Funktionär und Trainer, der alles gemacht und vieles erreicht hat, sich so etwas antut. Die Antwort ist dabei doppelt einfach: Zum einen kann Hanning gar nicht anders. „Ich liebe unseren Sport”, sagt er. „Für mich ist die Arbeit im Handball eine Berufung, und vor allem die Arbeit mit jungen Menschen ist eine Herzensangelegenheit für mich.” Und zum anderen steckt auch Kalkül und Strategie hinter dieser außergewöhnlichen Geschichte. Denn eins muss man wissen: Der 1. VfL Potsdam ist alles andere als ein gewöhnlicher Zweitligist. Das bestätigt auch Hanning. „Es ist kein natürliches Zweitligateam.” Ganz einfach, weil es eine enge Verzahnung zwischen Potsdam und den Füchsen gibt. Und das sieht dann so aus: Talentierte junge Spieler aus Potsdam dürfen mit den Füchsen trainieren – und manchmal auch dort mitspielen. Und imUmkehrschluss stellen die Stars der Berliner ihr Know-how imTraining der Potsdamer zur Verfügung. Das nennt man Synergieeffekte. Allerdings wehrt Hanning sich dagagen, den Potsdamer Zweitligisten als Nachschublager für sein Bundesligateam zu sehen. Vielmehr soll er Ausbildungsmöglichkeit für den begabten Nachwuchs sein. „Ich habe nicht nur den Füchse-Blick auf Potsdam”, so Hanning. „Ich habe den Blick der jungen Spieler. Mein Training in Potsdam besteht deshalb nicht darin, mich am Montag mit dem kommenden Gegner zu beschäftigen, sondern darin, mich erst am Freitag mit dem Kontrahenten des Wochenendes auseinanderzusetzen, die Woche aber zu nutzen, um die jungen Spieler besser zu machen.” STEINIGER WEG Das funktioniert bislang gut. Der Weg dahin war aber durchaus steinig und das Projekt anstrengend, weil in Potsdam die Strukturen für Zweitligahandball zu Beginn nicht gegeben waren. Es galt, im Berliner Umland Komfortzonen zu verlassen. Der Verein in Potsdam musste lernen, professioneller zu werden und dabei organisch zu wachsen. Und das auch noch schnell. Und dieser Prozess ist aktuell in vollem Gange. Nicht zuletzt auch deshalb verpflichtete Hanning den ehemaligen Nationalspieler Frank von Behren. Der Mann, der einst unter Hotti Bredemeier ins Management eines Bundesligaclubs eingeführt wurde, ist seit Sommer dieses Jahres Geschäftsführer beim 1. FC und damit einer der wichtigsten Mitarbeiter Hannings in diesem Projekt. Gerade erst von seinem Engagement im Ostwestfälischen entbunden, ereilte ihn der Anruf Hannings. „Zu der Zeit spielte Potsdam noch in der dritten Liga”, sagt von Behren. „Aber das ist ein hochinteressantes Projekt, das die Berliner hier angestoßen haben. Ich habe deshalb sofort zugesagt.” Dabei geht es natürlich auch weiterhin in erster Linie darum, junge Spieler auszubilden und Perspektiven zu bieten, und zwar in Potsdam und bei den Füchsen – oder auf Sicht auch bei anderen Erstligaclubs. Das gesamte Projekt soll eines Tages in eine geplante European Handball Academy münden und steht dabei auf drei Säulen. Es geht um wirtschaftliche Nachhaltigkeit, es geht auch um soziale Nachhaltigkeit, wobei beide Clubs – Berlin wie Potsdam – sich einerseits sozial engagieren und andererseits dem Nachwuchs eine ganzheitliche Erziehung mitgeben, verbunden mit dem Thema, nach Möglichkeit ihren Traum zu leben. Und der dritte Punkt ist die ökologische Nachhaltigkeit mit der Zertifizierung zur Klimaneutralität und einer deutlichen Reduktion von Schadstoff-Emissionen. „Wir wollen ein Home of Handball werden”, sagt Hanning. „Das Projekt ist in seiner Gesamtheit im gesamten Profisport Europas einmalig.” Das Fördern gelingt in etlichen Fällen schon ziemlich gut. Beim letzten Junioren-Lehrgang des Deutschen Handballbundes versammelten die verantwortlichen Trainer Martin Heuberger und Klaus-Dieter Petersen gleich sieben Spieler aus den beiden Vereinen: fünf aus Potsdam, zwei aus Berlin. „Das ist ein deutliches Zeichen nach außen”, sagt Geschäftsführer von Behren und ist stolz, dass die Arbeit vor Ort schon Früchte trägt. „Wir stellen den Großteil der Junioren-Nationalmannschaft.” Zudem sind gleich mehrere Potsdamer Spieler mit einem ZweifachSpielrecht ausgestattet worden, sodass sie auch bei den Füchsen

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