HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

AUSGABE #48 6/2022 103  digung beider Spielerinnen – mit dem Hinweis, mehr über die Gründe in Erfahrung bringen zuwollen. Ein größerer Schock aber ist das Schreiben eines Anwalts, der am 8. September die Mail der Anlaufstelle gegen Gewalt vom 2. September zum Anlass nimmt, im Auftrag von Fuhr von den beiden Spielerinnen und von Nadine Dobler eine Unterlassungserklärung zu fordern: Der Verein habe ihm gegenüber erklärt, dass kein „rechtlich erhebliches sozial inadäquates Verhalten des Trainers André Fuhr gegenüber den Spielerinnen stattgefunden“ habe, wie es in der Mail Doblers behauptet werde. Damit sind also Anwälte im Spiel. Infolgedessen kommt es im Meeting vom 12. September, an dem nun neben Rauball auch Vertreter der Profifußballer teilnehmen, zu emotionalen Szenen. Einmal verlässt Andrea Zschocke wütend den Raum, weil sie den Opferschutz nicht genügend gewürdigt sieht, und schlägt dabei die Tür zu. Erneut schildern die Spielerinnen die von ihnen erlebte psychische Gewalt, Zschocke bereits das dritte Mal vor BVB-Verantwortlichen, nun in einem Kreis von zwölf Menschen. Mia Zschocke hält abschließend eine „Brandrede“ und schließt diese mit einem BrechtZitat: „Wer die Wahrheit nicht kennt, der ist nur ein Dummkopf, wer sie jedoch kennt und eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ Danach haben die Bergers und Zschockes erstmals das Gefühl, ernstgenommen zu werden. Vor allem die Herren aus dem Profifußball erkennen offenbar, welche Sprengkraft diese Geschichte birgt. Am gleichen Abend signalisiert der BVB den Anwälten der Spielerinnen, den Club ablösefrei verlassen zu dürfen. Mia Zschocke reist daraufhin nach Norwegen, Amelie Berger nimmt Gespräche mit der HSG BensheimAuerbach auf. Am 17. September sitzt Fuhr beim Auswärtsspiel in Neckarsulm nicht mehr auf der Bank. Der Trainer sei am Boden zerstört, erklärt Heiermann: „Das ist eine menschliche Tragödie.“ Zwei Tage später teilt der BVB mit, dass der Trainer freigestellt sei, am 16. Oktober wird schließlich der Vertrag aufgelöst. Heiermann erklärt seinen Rücktritt. Fuhr selbst äußert sich nicht. Aber sein Anwalt schreibt im September in einer Presseerklärung, dass sich in dem Prozess herauskristallisiere, „dass es bei den meisten Vorwürfen um die Grenze zwischen fordernder Trainerarbeit und individuell empfundenen Grenzbereichen“ gehe. Um was es eigentlich geht, das publiziert erst der SPIEGEL in einem erschütternden Report, in dem sich sechs mutige Frauen äußern, darunter drei mit ihrem Namen. Fuhr will sich auch dem Magazin gegenüber nicht zu den einzelnen Vorhaltungen erklären; seine Anwältin teilt mit, die Vorwürfe seien „im Wesentlichen unzutreffend“. Der BVB teilt auf Anfrage mit, man werde interne Vorgänge nicht kommentieren. Die Szene reagiert geschockt. Der DHB, der nun unter Druck gerät, weil Fuhr drei Jahre die JuniorinnenAuswahl trainiert hatte, reagiert erst vier Tage später mit einer dünnen Erklärung – und schließlich mit der Einsetzung einer Kommission, die für Aufklärung sorgen soll. Vor diesem Gremium liegt viel Arbeit. Über 50 Betroffene haben sich inzwischen bei der Anlaufstelle gemeldet. Darüber hinaus, das macht das Protokoll der Eltern ebenfalls klar, gibt es viele traumatisierte Handballerinnen, die nicht darüber sprechen wollen, was sie erlebt haben. Erik Eggers „Schlechtes Gewissen gegenüber Mitspielerinnen“: Ex-BVB-Profi Amelie Berger STORY Foto: imago

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