HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

30 AUSGABE #48 6/2022 Es war eher ein Zufall, dass Bogdan Radivojević letztlich ein Handballer wurde. Sein Vater hätte ihn eigentlich lieber in einem Basketball-Team gesehen, aber dem siebenjährigen „Bogi“ gefielen beide Sportarten gut. Beim Handball waren allerdings alle seine Mannschaftskollegen drei Jahre älter als er und nicht einmal Radivojević selbst kann sagen, was ihn damals genau an dem Team so fasziniert hat. „Ich war wie ein Maskottchen da.“ Gefühlt lief er nur „auf dem Feld hin und her“, doch die Sportart aufgeben wollte er nicht. „Zwei Jahre später kamen glücklicherweise Gleichaltrige dazu, es entstand ein neues Team und damit für mich eine komplett neue Rolle.“ Aus dem kleinen Mitläufer wurde ein erfahrener Anführer, der bereits im Teenageralter seinen ersten Profivertrag beim Hauptstadtclub RK Partizan Belgrad erhielt. Mit 20 Jahren bereits wechselte er in die Bundesliga, doch wohin genau, wusste er zunächst gar nicht. „Ich bin vom Clubmanager der SG und seiner Frau persönlich am Flughafen abgeholt worden und dachte in dem Moment, das Ganze ist ein Fehler“, sagt er und lacht. Es war vor allem die Sprache, die den jungen Mann komplett verunsicherte: „Ich verstand nichts und befürchtete zunächst, ich werde nie Deutsch lernen.“ Und der Abend wurde nach der Ankunft im hohen Norden kein bisschen besser. „Ich wohnte zunächst bei der SG-Physiotherapeutin und ihrer Familie, die mich mit einem prall gedeckten Tisch empfingen – aber leider alles Sachen, die ich nicht gerne esse.“ Statt Fisch und Fleisch aß er nur die Kartoffeln und die Kommunikation erinnerte mehr an „Pantomime als an ein Gespräch.“ Beim Trainingsauftakt in Flensburg gab es für den jungen Serben zunächst auch nur Gelächter. Er kam mit Handballschuhen zur Laufeinheit, ein Frevel unter erfahrenen Profis. „Ich kannte damals nicht einmal den Unterschied zwischen Lauf- und Hallenschuhen.“ So beschwerlich die ersten Schritte auch waren, so kometenhaft entwickelten sich die nächsten Monate. „Die Zeit war überragend, heute kann ich nur schöne Sachen über Flensburg sagen.“ Der Gewinn der EHF Champions League, nur zehn Monate nach seiner denkwürdigen Ankunft, war für Radivojević die Kirsche auf der Sahnetorte. Der Weg aus demNorden führte den Serben 2017 nach Mannheim. Auch hier wurde der Lockenkopf in Windeseile zum Publikumsliebling. „Mein Start hier war schon wesentlich einfacher. Das Team war super und was das Wetter betrifft, habe ich mich eindeutig verbessert“, sagt er und lacht. Nur eine Sache ärgert den Rechtaußen bis heute: „Ich wechselte damals zum zweifachen Deutschen Meister und dann gewinnt mein Ex-Club gleich zweimal die Meisterschaft.“ Aber immerhin konnte er 2018 beim großen Pokal-Erfolg der Löwen dabei sein. Und für die verpassten Meisterschaften in Deutschland wurde Radivojević bei seiner nächsten Station gleich doppelt und mit anschließender Sause entschädigt, denn mit seinem ungarischen Club Pick Szeged gewann er 2021 und 2022 den Meistertitel. „Ich würde allerdings alle meine Pokale gegen eine Medaille mit der serbischen Nationalmannschaft eintauschen“, verrät der 29-Jährige. Das Team, dessen letzter großer Erfolg, der zweite Platz bei der Heim-EM, inzwischen elf Jahre zurückliegt, ist seine Herzensangelegenheit. Obwohl Serbien bei den letzten Großturnieren eher bescheiden abschnitt, könnten Bogis Träume bald wahr werden. Denn in der Nationalmannschaft, die über mehrere Jahre eher mit Skandalen, Backstage-Gossip und einem besonders heißen Trainerstuhl auf sich aufmerksam machte, weht seit 2021 ein neuer, frischer Wind. Chefcoach Antoni Gerona soll für die neue Geschlossenheit zuständig sein. Ein Spanier, der nach Einschätzung Jeder Anfang ist schwer Bogdan Radivojević hat in seiner Karriere schon viele Highlights erlebt. Seine Club-Titel würde der 29-Jährige allerdings sofort gegen eine Medaille mit der serbischen Nationalmannschaft eintauschen.

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