HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

44 AUSGABE #48 6/2022 ont gibt. Aber in die Kaderauswahl fließen mehrere Kriterien ein. Ich habe mit dem Großteil meiner Mannschaft Olympiasilber und zweimal WM-Gold gewonnen. Ich weiß also, dass diese Gruppe gut funktioniert. Und wenn man einen Monat lang als Mannschaft zusammen ist und etwas gewinnen will, braucht man ein gutes Teamgefüge, eine gute Stimmung. Ansonsten gewinnt man nichts. Deswegen haben diese Jungs einen Bonus. Worauf kommt es Dir an? Jacobsen: Ich muss wissen, dass die Spieler die Rolle annehmen, die ich ihnen zuweise. Und da hilft mir keiner, den ich auf Kaderposition 13 bis 16 sehe und der dann sauer über diese Rolle ist. Das bedeutet nicht, dass mir die aktuelle Form nicht wichtig ist. Aber solch eine Mannschaft muss vor allem auch von den Typen zusammenpassen. Du hast eine Top-Mannschaft, Dänemark ist immer ein Medaillenkandidat und Handball genießt in Deiner Heimat eine große Aufmerksamkeit. Hast Du gerade den besten Job der Welt? Jacobsen: Das kommt immer darauf an, wie das letzte Turnier gelaufen ist (lacht). Bislang lief es meistens gut, deswegen genieße ich meinen Job. Ist das wirklich so extrem erfolgs- abhängig? Jacobsen: Man muss sich das ein wenig anders vorstellen als in Deutschland. Wenn du zur dänischen Handball-Nationalmannschaft gehörst, dann kennt dich fast jeder. Du kannst dich nicht verstecken. Entsprechend ist es ein großer Job, diese Mannschaft zu trainieren, weil wir eine immense mediale Aufmerksamkeit genießen und sehr populär sind. Du warst selbst dänischer TV-Experte, nun bist Du Nationaltrainer. Nerven Dich manchmal Deine Nachfolger als TV-Experten, die nun Deine Arbeit bewerten? Jacobsen: Nein, überhaupt nicht. Ich kenne diesen Job sehr gut. Und ein Experte muss eine Meinung haben. Das ist nun mal so. Die dänische Nationalmannschaft hat in Dänemark viel Fernsehzeit, da wird es immer viele Meinungen geben. Und nicht jede Meinung wird korrekt sein. Ich muss aber auch ehrlich sagen: Bei einer großen Meisterschaft wie EM, WM oder Olympia bekomme ich davon wenig bis gar nichts mit. Ich habe keine Zeit, mich mit sowas zu beschäftigen und lasse das Internet dann das Internet sein. Bislang lief es ohnehin fast immer gut für Deine Mannschaft und Dich. Jacobsen: Aber eben nicht immer. Die Europameisterschaft 2020 verlief enttäuschend, wir sind in der Vorrunde ausgeschieden. Ich weiß also auch, wie sich Misserfolg mit dieser Mannschaft anfühlt – muss aber rückblickend sagen: So richtig schlimm war das nicht, was danach auf uns eingeprasselt ist. Deswegen fürchte ich mich davor auch nicht. An der WM nehmen, wie schon vor zwei Jahren in Ägypten, 32 Mannschaften teil. Was hältst Du von der Vergrößerung des Teilnehmerfeldes? Ihr spielt beispielsweise gegen Belgien, Tunesien und Bahrain in der Vorrunde. Das klingt nach einem lockeren Start. Jacobsen: Schauen wir uns die Belgier an. Die haben die Niederlande geschlagen und knapp gegen Kroatien verloren. Alle Spiele von Bahrain bei Olympia waren eng, wir mussten sogar viel Sieben gegen Sechs spielen, um zu gewinnen. Ich finde es gut, dass mehr Nationen dabei sind, weil wir – also der gesamte Handball – diese Entwicklung brauchen. Handball darf keine europäische Sportart bleiben, sondern muss größer werden. Deswegen ist es auch gut, dass Ägypten jetzt um die Medaillen spielen kann. Und wenn wir einen schlechten Tag haben, können wir auch gegen Tunesien oder Argentinien und Brasilien verlieren. Diese Breite ist wichtig. Wir brauchen sicherlich keine Ergebnisse wie letztes Jahr bei der Frauen-WM, als die Spiele 55:15, 41:9 oder 48:10 ausgingen. Aber ich garantiere, dass es solche Ergebnisse bei den Männern nicht geben wird. Ihr Dänen seid einer der großen Titelfavoriten. Welche Mannschaften können euch gefährlich werden? Jacobsen: Schweden wird eine riesengroße Rolle spielen. Diese Mannschaft ist Europameister, hat noch dazu den Heimvorteil. Mit Spanien und Frankreich muss man rechnen. Und dann muss ich ehrlich sagen: Schauen wir uns mal die Isländer an. Das ist eine Mannschaft mit sehr vielen richtig guten Spielern, von denen man sehr viel erwarten kann. Nehmen wir uns dazu, sind das die fünf größten Medaillenanwärter. Norwegen und Ägypten können vielleicht überraschen. Und die Deutschen? Jacobsen: Sie haben eine sehr spannende Mannschaft. Das Problem ist nur: Man weiß nicht so genau, wer „ WENN WIR EINEN SCHLECHTEN TAG HABEN, KÖNNEN WIR AUCH GEGEN TUNESIEN ODER ARGENTINIEN UND BRASILIEN VERLIEREN“

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