HANDBALL inside | Ausgabe #48 6/2022

AUSGABE #48 6/2022 57 lich nicht. Schon bei der WM 1978 war einer der kanadischen Handballer mit den Schuhen eines neuen, aufstrebenden US-Konzerns aufgelaufen: Nike. Aber das ist eine andere Geschichte. WM 1974: RAUCHVERBOT Der Klassenfeind hatte Böses vor. Jedenfalls vermutete dies Erich Mielke im Vorfeld der WM 1974 in der DDR. Der Chef der Staatssicherheit höchstpersönlich verfasste vier Wochen vor Anpfiff den „Befehl zur Sicherung der VIII. Weltmeisterschaft im Handball der Männer“, der nicht weniger als 18 Seiten umfasste. Seine Grundannahme: „Die Sportführungen der BRD und der anderen imperialistischen Teilnehmerstaaten“ und deren Geheimdienste würden nichts unversucht lassen, das Turnier „zur Hetze, für Störaktionen, Provokationen und andere gegen die DDR gerichtete feindliche Handlungen auszunutzen“. Als ein paar Tage später mit DHB-Geschäftsführer Frank Birkefeld ein Repräsentant dieses Gegners in die DDR reiste, um die WM-Standorte zu inspizieren, hörte die Stasi daher mit. Im folgenden Geheimdienstbericht wurde Birkefeld indes als angenehmer Zeitgenosse beschrieben: Der Gast habe „keine Sonderwünsche“ geäußert. Allein das Rauchverbot in den Hallen habe Birkefeld als „Eingriff in die persönliche Freiheit“ moniert, das werde den Touristen aus der Bundesrepublik missfallen. Dass Birkefeld hier im eigenen Sinne argumentierte, stand nicht im Agenten-Bericht. Er selbst war passionierter Raucher. Aber sein Protest hatte keinen Erfolg. Es blieb beim Rauchverbot – mit dem damals noch seltenen Hinweis auf die Gesundheit der Sportler. WM 1978: DER VERGESSENE WELTMEISTER Die deutschen Handballer, die 1978 das Wunder von Kopenhagen vollbrachten, sind bis heute präsent. Namenwie Heiner Brand, Kurt Klühspies, JoachimDeckarm oder Horst Spengler sind noch heute bekannt. Aber wer kennt Richard Boczkowski? Nahezu niemand. Dabei hatte der Kreisläufer aus Nettelstedt in der Hauptrunde die beiden Wurfmaschinen Frank-Michael Wahl und Stefan Birtalan überragend verteidigt. Und dennoch tauschte ihn, den man den vergessenen Weltmeister nennen könnte, Bundestrainer Vlado Stenzel vor dem Finale gegen Jimmy Waltke aus. So sah Boczkowski von der Tribüne, wie jener Waltke mit einem furiosen Hattrick das Endspiel gegen die favorisierten Sowjets entschied. So traurig er damals war, schloss er doch schnell seinen Frieden mit seiner Rolle als Zuschauer. Zumal er der einzige Spieler war, der den Titel später versilberte. Als den DHB eine lukrative Anfrage eines Clubs aus Jeddah, Saudi-Arabien, erreichte, sagte Boczkowski spontan zu und erlebte dort zwei wundervolle Jahre. „Es war wie ein Traum“, erzählte er später. „Ich hatte ein Haus direkt am Strand. Jeden Morgen bin ich ins Rote zum Baden und manchmal zum Tauchen.“ Die zwei Jahre jedenfalls reichten, um sein Einfamilienhaus zu finanzieren. Auch habe er Fußballtrainer Dettmar Cramer, der dort ebenfalls arbeitete, dort kennengelernt. Aber nicht nur wegen seines Profijobs in der Wüste ist die Figur Boczkowski bemerkenswert. Er ist bis heute, da er 1953 in dem ostpreußischen Dörfchen Schwarzenofen geboren wurde – die Familie siedelte kurz darauf in die BRD über –, der einzige Weltmeister, der aus dem Land des jetzigen WM-Gastgebers Polen stammt.  DHB-Geschäftsführer Frank Birkefeld Weltmeister Richard Boczkowski

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